Im Haus der „StrassenEngel“ gibt es zu Ostern Rinderbraten. In normalen Zeiten wäre das ganz sicher nichts Besonderes. Aber, was ist in diesen Tagen schon normal? Und so wird der österliche Braten zu einem kleinen Stück an Normalität, das Vorsitzende Sabine Assmann und die Mitglieder des Hanauer Vereins „StrassenEngel“ ihren Schützlingen an den Festtagen servieren wollen.
„Ihre Schützlinge“ – das sind die, die in der Brüder-Grimm-Stadt alles andere als ein märchenhaftes Leben führen: Obdachlose und ältere Menschen, die am Rande der Armutsgrenze leben. Für sie ist das Haus der „StrassenEngel“ am Hanauer Nordbahnhof seit drei Jahren der Ort, an dem sie Unterstützung und jeden Tag eine warme Mahlzeit bekommen.
„Wir haben hier täglich zwischen 15 und 30 Gäste, die das Angebot unserer Essens-Tafel nutzen“, erklärt Sabine Assmann. Sie hat den Verein 2015 in Hanau ins Leben gerufen, nachdem sie sich zuvor 14 Jahre in den Straßen von Frankfurt für die Menschen am Rande der Gesellschaft engagiert hatte.
Ein hartes Pflaster, auf dem die Steinheimerin viel gesehen und erlebt hat. So schnell kann sie da nichts mehr erschüttern. Und doch hat die Corona-Krise jetzt auch sie und ihre Mitstreiter vor eine Herausforderung gestellt, die für die „StrassenEngel“ und deren Arbeit sogar zur existenziellen Bedrohung werden könnte.
Es fehlt an Spenden. Die Unterstützung durch Privatleute oder Unternehmen, so die Vereinsvorsitzende, sei in den vergangenen Wochen fast vollkommen ausgeblieben. Warum? Sabine Assmann kann nur spekulieren: „Sicher haben viele in diesen Tagen ganz eigene Sorgen, dazu kommt in Folge von Corona eine große Zahl an neuen Hilfsprojekten, in die Spendengelder fließen.“ Die Folgen seien für ihren Verein und die Menschen, die er unterstützt, gravierend. Es wird eng. So eng, dass sogar der Rinderbraten, mit dem der Verein seinen Gästen bislang zur Osterzeit immer eine kleine Freude machte, nicht mehr drin zu sein schien.
Zwar bringen sich Sabine Assmann und das Gros ihrer Mitstreiter ehrenamtlich ein. Dennoch brauchen die Engel rund 3.500 Euro, um die laufenden Kosten für Miete, Versicherung oder Strom zu decken. Unterstützung der öffentlichen Hand gibt es dafür nicht.
Umso glücklicher sind die Hanauer Helfer, dass sie jetzt ihrerseits unerwartete Hilfe erhalten. Die Stiftung „Flughafen Frankfurt/Main für die Region“ springt in die Bresche. Im Haus der StrassenEngel überreichte Jutta Nothacker, die Geschäftsführerin der Stiftung, am Mittwoch nicht nur den Rinderbraten für Ostern, sondern vor allem auch 3.500 Euro zum Decken der Fixkosten der „StrassenEngel“. Die Unterstützung ist Teil eines Förderprogramms, das die Stiftung unter dem Titel „Hilfe für Obdachlose“ aufgelegt und mit 100.000 Euro ausgestattet hat.
„Das Leben auf der Straße ist schon in normalen Zeiten schwer und entbehrungsreich. In der aktuellen Krise aber ist es für die Betroffenen noch einmal um einiges schwieriger geworden“, unterstreicht Nothacker. Das Herunterfahren des öffentlichen Lebens auf ein Minimum treffe viele Obdachlose hart.
Nothacker: „Geschäfte oder Gastronomiebetriebe, in denen sie von Zeit zu Zeit Unterstützung finden, sind geschlossen. Passanten, die ihnen ein paar Cent oder auch mal einen Euro zukommen lassen, fehlen.“ Vermeintlich kleine Handreichungen, deren große Bedeutung für das Leben der Betroffenen erst klar werde, nun da sie fehlten. Umso wichtiger seien Einrichtungen, die sich auch in der Krise um die Ärmsten der Armen kümmern. So wie die Hanauer StrassenEngel.
Sie sind die ersten, die die Unterstützung der Flughafen-Stiftung erhalten. Aber sie werden ganz sicher nicht die letzten sein. Nothacker: „Wir stehen bereits in Kontakt zu einigen vergleichbaren Einrichtungen in der Rhein-Main-Region. Darüber hinaus können sich Initiativen, die sich um Obdachlose kümmern, sehr gerne an uns wenden, wenn sie in diesen schwierigen Zeiten Unterstützung brauchen.“
Für Sabine Assmann ist es selbstverständlich, dass sie die Hilfsangebote der StrassenEngel auch in der Corona-Krise so lange als irgend möglich aufrechterhalten wird. Zwar haben sich einige ehrenamtliche Helfer vorerst ausklinken müssen, weil sie selbst zu Risikogruppen gehören oder ihre Kinder betreuen müssen. Dadurch ist das zwölfköpfige Helfer-Team, das an „normalen Tagen“ den Betrieb am Laufen hält, merklich zusammengeschmolzen. Aktuell sind neben der Vorsitzenden gerade noch drei Mitarbeiter und ein Koch im täglichen Einsatz. Die StrassenEngel lassen aber die Flügel nicht hängen. Im Gegenteil. „Wir halten auch in der Krise unser Haus so lange offen, wie es irgendwie geht. Unsere Gäste brauchen uns gerade jetzt“, betont Sabine Assmann überzeugt.
Kontakt: Institutionen, die sich der Obdachlosen-Arbeit widmen und Unterstützung suchen, wenden sich an die: Stiftung Flughafen Frankfurt/Main für die Region, Rüsselsheimer Straße 100, 65451 Kelsterbach, Tel.: (06107) 988 68-23 Fax: (06107) 988 68-25, E-Mail info@stiftung-flughafen-frankfurt.de